Gott und Wein

Habe nun, ach, Theologie durchaus studirt: Hier steh' ich nun ich armer Tor.
Und bin so klug als wie zuvor. Vielleicht. Aber vielleicht auch nicht. Mit
der Theologie ist es doch so wie mit dem Weinbau, der Önologie und der
Weinwirtschaft Fast jeder trinkt ein bisschen Wein, fast jeder glaubt ein
bisschen an Gott. Fast jeder kann also mitreden, wenn über Gott und Wein
gesprochen wird. Nehmen wir mal an, ein Freund wäre jetzt vier Jahre in
einer "Weinschule" gewesen. Er hätte Weingüter, Weinsorten, Forschungen und
Ergebnisse und vieles mehr studiert. Nach vier Jahren Studium wäre er nicht
unbedingt ein besserer Weinkenner als der Säufer an der Bar. Oder als eine
Frau, die ihre Ferien in Frankreich und Italien auf Weingütern verbringt.
Aber frisch aus dem Studium, trinkt er die Weine vielleicht immer noch mit
den Ratschlägen seiner Dozent/-innen im Ohr. Doch das geht vorbei. Später
wird er ein ganzes Leben Zeit haben um nicht nur Frankreich und Italien,
sondern auch neue Gebiete und Weine auszuerkunden.
Dasselbe in der Theologie. So wie ich gerne Wein habe, aber deswegen noch
lange nicht Weinbau, Önologie und Weinwirtschaft studiere, muss auch nicht
jeder ein Experte in Gottes Sachen sein. Hier kommt mir aber oft ein anderer
Wind entgegen. Es scheint mir, als würde Gott so hoch über allem stehen, und
gleichzeitig jedem so nahe stehen, dass mein Studium niemandem nichts, aber
auch gar nichts etwas zählt. Manchmal kommt es mir so vor, als wäre ich eben
dieser Wein-Student, der einem älteren Alkoholiker seinen Lieblingswein
tauschen will gegen einen besseren, oder einen neueren. Da kann man gar
nichts tun. Was nützen denn dann diese vier Jahre Theologie? Wenn es doch-
ausser mir- fast niemanden schert, was ich jetzt über Gott denke und weiss?
Ich selber erlebe Gott ganz anders, viel tiefer und näher als vorher, und
ich würde jedem wünschen, er würde Gott so kennen. Aber die haben schon
ihren Gott, und den lässt man nicht so einfach austauschen und verändern...
Zurück zum Student des Weinbau, der Önologie und der Weinwirtschaft. Der
geht ja auch nicht in die Beizen und versucht seinen Geschmack und sein
Wissem über den Wein den nächstbesten Weintrinkern aufzudrängen. Ich denke,
er würde ein altes Weingut kaufen. Dann aus diesen Trauben einen edlen
Tropfen versuchen herzustellen. Er würde neue Kreuzungen von Trauben, neue
Gärverfahren, bis hin zu einer ansprechenden Packung für seinen guten Wein
entwickeln. Dann vielleicht gelingt es ihm, Weintrinker von seinem Wein zu
überzeugen. Dann hätte sein Studium auch etwas entscheidendes gebracht. Um
an einer Bar ein bisschen Wein zu trinken, muss man nicht Weinbau, Önologie
und Weinwirtschaft studieren.