Menschliches Dünkel

Dass wir vieles können und zustandebringen ist unbestritten. Die Schwerkraft
überwinden, riesige Bauten errichten, Flüsse umlenken, Tiere zähmen und
klonen. Dass dabei auch etwas für uns herausschaut, gehört dazu. Wir
veranstalten so viele Wettbewerbe, dass fast jeder irgendwo, irgendwann in
seinem Leben der Beste sein kann. Die vielen Miss-Wahlen,
Sportveranstaltungen, Abschlussfeiern, bis hin zum Nobelpreis. Angenommen,
es gäbe jedesmal eine Goldmedaille, wenn wir uns selber gratulieren, würde
der Goldpreis den der Samen wertvoller Orchideen weit übersteigen. Wir geben
uns selber Goldmedaillen. Hierzu möchte ich nur schreien: "Menschliches
Dünkel!" Wer sind wir denn? Was bin ich denn? Ein Gemisch aus Wasser, Kalk
und Eisen und einigen anderen Materialien. Materiell bin ich nicht mehr wert
als ein paar Franken.
Dann sind wir fast gar nichts wert? Ist das vielleicht der Grund, weil wir
uns dauernd sagen müssen, wir seien doch etwas wert? Es wäre eine grosse
Enttäuschung, wenn ich nur diesen Aspekt sehen würde. Dann wären mir die
Mitmenschen nichts mehr wert. Dann wäre irgendwie alles nichts, und eine
grosse schwarze Decke würde sich über alle unsere Beziehungen legen. Und
erst im Hinblick auf die Würde des Menschen: Wenn mein "Feind" nur ein paar
Franken kostet, dann kann ich ihn im schlimmsten Fall auch ohne Konsequenz
umbringen.
Ich glaube aber, dass wir Menschen Gottes Ebenbild sind. Jeder Mensch trägt
die Gottesebenbildlichkeit in und auf sich. Vielleicht nennt man das Seele,
oder Geist. Das unterscheidet uns Menschen von einem billigen Klumpen
Materie. Weil Gott ein persönlicher Gott ist, hat auch jeder von uns eine
Persönlichkeit. Weil Gott Liebe ist, können wir lieben. Weil wir an Gott
sehen, was gerecht ist, können auch wir recht handeln. Wo bleibt da das
menschliche Dünkel? Es verschwindet, weil es oft nur auf dem Gedanken eines
materiellen Menschen aus Wasser, Kalk und Eisen basiert. Der Mensch, der
wirklich gross von sich denken könnte, ist der, der sich ganz seiner
Stellung als Mensch bewusst ist. Was bedeutet das? Er weiss, dass er selber
nichts gutes hervorbringt. Er kennt sich selber. Darum wendet er sich an
den, der ihm das Leben gegeben hat, dass er ihm auch die Liebe, die
Gerechtigkeit, die Persönlichkeit gibt. Er lässt sich von seinem Schöpfer
etwas sagen.